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Was soll aus Europa werden - Manifest - Diskussion

Was soll aus Europa werden?

 Prof. (em) Dr. Bernd-Peter Lange
 - Rechts-, Wirtschafts- und Sozialwissenschaften -

 Manifest für Pulse of Europe 2018
- ein Diskussionsbeitrag-


1. Woher wir kommen - nur wer die Vergangenheit kennt, kann die Zukunft nachhaltig gestalten

 

Felix Adrien Kir, geboren 1876, erhielt 1901 die Weihe zum katholischen Priester in Dijon. 1940 schließt er sich dem Widerstand gegen die deutsche Besatzungsmacht in Frankreich an und wird Stadtverordneter in Dijon. Er ermöglicht 5000 französischen Kriegsgefangenen aus dem Lager Longvic zu fliehen. Im Herbst des gleichen Jahres wird er von der Gestapo verhaftet und zum Tode verurteilt. Doch er kommt auch auf Grund der Intervention seiner katholischen Oberen wieder frei, setzt seine Widerstandstätigkeit fort  und wird im Herbst 1943 erneut verhaftet. Am 25.1.1944 wird er Opfer eines Attentats, durchsiebt von mehreren Gewehrkugeln. Auf ihn und mehrere seiner Freunde geschossen hatte ein Kommando der "malice francaise", eine paramilitärische, faschistische Organisation des Vichy Regimes, um die Resistance zu bekämpfen. Diese Organisation war im Grunde eine Hilfstruppe der Gestapo.
2018 ist das Ende des ersten Weltkrieges 100 Jahre her und das Ende des 2. Weltkrieges  73 Jahre. Die Kriege sind mit immer verheerenderen Waffen geführt worden: vom Einsatz  von Giftgas durch Deutschland in Belgien im ersten Weltkrieg bis zum Abwurf von Atombomben durch die USA über Hiroshima und Nagasaki in Japan. Die zwei Weltkriege haben zusammen über 80 Millionen Tote hinterlassen: " Die Anzahl der Personen, die Folgen aus dem Ersten Weltkrieg davongetragen haben, beläuft sich auf mehr als 40 Millionen Personen, 20 Millionen Tote, 21 Millionen Verletzte. Diese Zahl beinhaltet 9,7 Millionen Tote unter den Soldaten und rund 10 Millionen Tote unter den Zivilisten. Die Alliierten des Ersten Weltkriegen verlieren mehr als 5 Millionen und die Mittelmächte knapp  4 Millionen Soldaten" ( Partenariat éducativ grundtvig 2009-2011).
Seriöse Schätzungen gehen für die durch direkte Kriegseinwirkungen Getöteten im Zweiten Weltkrieg von 60 -65 Millionen aus. Die Schätzungen, die Verbrechen und Kriegsfolgen einbeziehen, reichen bis zu 80 Millionen Toten. Opfer deutscher Massenverbrechen im Kriegsverlauf werden beziffert: Juden, um die 6 Millionen , sowjetische Kriegsgefangene, um die 3 Millionen, Sinti und Roma, um die 200000, Euthanasieopfer, 270000, nicht jüdische Zivilisten, KZ Häftlinge, Zwangsarbeiter, Deportierte, 4,3 Millionen(mit Hungertoten). Als Summe ergeben sich mehr als 13 Millionen Opfer (vgl. Wikipedia).
Diese Zahlen sind aus heutiger Sicht unfassbar. Um das Monströse dieser Zahlen zu begreifen, muss man sich im Vergleich vergegenwärtigen, dass die Bundesrepublik Deutschland heute 82 Millionen Einwohner hat. Die zwei Kriege zusammengenommen haben also vergleichsweise die Bevölkerung eines Landes wie Deutschland  vollständig vernichtet und durch die Bomben das Land dazu. Doch die Zahlen allein verdeutlichen nicht das unermessliche Leid, dass diese Kriege über die beteiligten Völker gebracht haben. Familien verloren ihre Väter, Millionen wurden zur Flucht gezwungen oder zwangsweise umgesiedelt, der Holocaust mordete in seinem Rassismus jüdisches Leben in in der bisherigen Geschichte einmaligen Brutalität und Konsequenz. Die Nachwirkungen von Krieg, Vernichtung und Vertreibung und dem Schweigen der Betroffenen sind auch heute noch in vielen Familien auch in nachfolgenden Generationen spürbar. Hinzu kommt die Vernichtung großer Teile europäischer Kultur und Infrastruktur.
Doch nicht nur das 20. Jahrhundert war durch Kriege geprägt und zwar weit über die Zeit 1914 bis 1918 und 1939 bis 1945 hinaus. Auch im 19. Jahrhundert gab es zahlreiche Kriege in Europa. Es sei nur an die napoleonischen Kriege und an den deutsch-französischen Krieg 1871 erinnert.
Geht man in der europäischen Geschichte weiter zurück, so fällt besonders der 30jährige Krieg auf, der 1648 endete.  Auch er hatte über diese Zeit hinaus weitreichende verheerende Auswirkungen. Es gab in den letzten 1000 Jahren keine so lange Zeit des Friedens im Sinne der Abwesenheit von Krieg  in Europa wie seit 1945. Dies ist angesichts der vorhergehenden Kriege besonders bemerkenswert und erfreulich und kam nicht von selbst.
 Die Geschichte der europäischen Einigung als Reaktion auf die vorhergehenden kriegerischen Auseinandersetzungen ist zu allererst ein Friedensprojekt, das nicht hoch genug einzuschätzen ist und das es unbedingt zu bewahren gilt. Die Kriege auf dem Balkan zum Ende des vorigen Jahrhunderts um 1990 herum und die dort noch fortbestehenden Spannungen gemahnen uns, dass äußerer Frieden nicht selbstverständlich ist, sondern dass er aktiv verteidigt werden muss durch andauernde diplomatische Anstrengungen und die Bereitschaft, bei Konflikten kompromissfähig zu sein. Gleichzeitig muss einem engstirnigen, rückwärtsgewandten Nationalismus und Rassismus und einem religiös verbrämten Fanatismus  in jeglicher Gestalt entschieden entgegengetreten werden, u. a. durch eine immerwährende Bildungs- und Erinnerungsarbeit, denn der Frieden, in dem wir zur Zeit leben, ist unfertig, bleibt gefährdet und wird auch durch Entwicklungen, die Menschen ängstigen,  immer wieder neu bedroht.
 Gewaltverzicht innerhalb Europas muss jedoch gekoppelt sein mit der Verteidigungsbereitschaft nach außen: Der Konflikt in der Ost-Ukraine hat gezeigt, wie verletzlich der europäische Frieden ist. Russland ist Mitglied des Europarates, der auf friedliche Beilegung von Konflikten angelegt ist und trotzdem ist die Ukraine im Osten militärisch angegriffen worden. Nur eine starke Verteidigungsbereitschaft der EU nach außen kann Aggressoren  abschrecken und sie evtl. zu diplomatischer Konfliktlösung geneigter machen.
Es gilt darüber hinaus den inneren Frieden zu wahren. Der innere Frieden kann zunächst nur erhalten werden, wenn das Gewaltmonopol des demokratisch legitimierten Staates akzeptiert und durchgesetzt wird. Unbedingtes Eintreten für die Demonstrationsfreiheit: ja, aber auch konsequente Ahndung von Gewaltanwendung gegen Polizei, Rettungskräfte und Feuerwehr. Der Rechtsstaat mit seiner Gewaltenteilung ist  Voraussetzung für den inneren Frieden. Gelebte Demokratie und Rechtsstaat überall in der Europäischen Gemeinschaft gilt es also immer wieder zu verteidigen.
Ausführlicher zur inneren Sicherheit und Korruptionsbekämpfung  siehe Ergänzung S. 14f.
Zum inneren Frieden gehört auch ein angemessener sozialer Ausgleich zwischen den verschiedenen Schichten der Gesellschaft. Nur dann, wenn die Einkommens- und Vermögensverteilung und wenn das Steuersystem weitgehend als gerecht empfunden werden, wenn Bildungschancen  für alle gleichermaßen gelten, Arbeitslosigkeit bekämpft und wenn Korruption effektiv verfolgt wird, gelingt ein friedliches Zusammenleben in der Gesellschaft. Gibt es einen Riss durch die Gesellschaft, gibt es die Wahrnehmung, dass "die da oben" Politik nicht für das Volk sondern nur im eigenen Interesse machen, dann ist die Stabilität in der Gesellschaft gefährdet und die weitere friedliche Entwicklung ungewiss.
Zum inneren Frieden gehört inzwischen auch eine nachhaltige Umweltpolitik: Nur so ist es möglich, den nachfolgenden Generationen guten Gewissens "unseren Planeten" zu übergeben. Werden wir unserer gesellschaftspolitischen Verantwortung besonders in der Klima-, Energie- und Verkehrspolitik nach innen und im globalen Maßstab nicht gerecht, so schüren wir Generationenkonflikte und sind auch dadurch mit ursächlich für möglicher Weise nicht beherrschbare Migrationsbewegungen über ganze Kontinente hinweg. Nachdem Präsident Trump angekündigt hat, das Pariser Klimaschutz-Abkommen für die USA zu kündigen, kommt diesbezüglich der EU eine besonders große Verantwortung zu.
1961 machte ich an der Universität von Dijon einen 6-wöchigen Französisch-Sprachkurs mit Studenten aus ganz verschieden Ländern. Beim Empfang durch den Bürgermeister von Dijon mit Soutane bis zum Boden mit der Schärpe des Bürgermeisters in bleu, blanc, rouge hielt ich die Dankesrede und kam so in ein persönliches Gespräch mit ihm. Es war der Chanoine (Domherr) Kir. Wie er mir erzählte, konnte er sich nach der Hinrichtung 1944 aus dem Leichenberg seiner Freunde befreien und wurde gegen alle Wahrscheinlichkeit gerettet. Am Tag der Befreiung von Dijon am 11. September 1944 kehrte er nach Dijon zurück und wurde im Mai 1945 dort zum Bürgermeister gewählt. Zum Empfang wurde, wie üblich bei Gästen des Bürgermeisters, der  Cocktail "le Kir" gereicht - eine spezifische Mixtur aus Weißwein und schwarzen Johannisbeeren, die nach ihm benannt wurde. Ich war tief beeindruckt von der Persönlichkeit des Bürgermeisters. In unserem Gespräch waren wir uns einig, dass alles, aber auch alles für die Deutsch-Französische Freundschaft getan werden müsse.
2. Wo stehen wir in Bezug auf die europäische Einigung?
Der bisherige Weg der europäischen Einigung ist ein mühsamer Prozess, der auch durch Rückschläge gekennzeichnet ist. Bis heute aber ist die schrittweise Vertiefung der friedlichen Zusammenarbeit zwischen inzwischen 28 Ländern - zum Brexit später - vorangetrieben worden. So wie Chanoine Kir  sich aus einem Leichenberg getöteter Freunde befreien konnte, so ist Europa in der Gestalt der EU aus den Trümmern und den unübersehbaren Massen von Toten hervorgegangen. Die EU ist daher eine Erfolgsgeschichte zur Überwindung von militärischen Feindschaften und geographischen, wirtschaftlichen  und mentalen Grenzen auf einem kulturell und sprachlich vielfältigen Kontinent mit heute mehr als 500 Millionen Bürgern. Weiter Aspiranten auf Mitgliedschaft stehen vor der Tür. Das zeigt die nach wie vor enorme Anziehungskraft dieses in geschichtlicher Perspektive noch jungen Projektes.
Wegweisend für die Einleitung der friedlichen Zusammenarbeit auf dem europäischen Kontinent waren die Franzosen Robert Schumann und Jean Monet, der Italiener Alcide de Gasperie und der Deutsche Konrad Adenauer. Es begann wenige Jahre nach Kriegsende mit der Gründung der Montanunion, der europäischen Gemeinschaft für Kohle und Stahl, die 1952 in Kraft trat und 6 Mitglieder hatte: Frankreich, Italien und die Bundesrepublik Deutschland so wie die drei Benelux-Länder. Dieser Beginn war revolutionär, waren doch Kohle und Stahl die Branchen, die zentral für die jeweilige nationale Rüstungsproduktion waren. In dem Moment, wo sie in den Mitgliedsländern unter europäischen Verwaltung standen, war der erste Schritt zur Sicherung eines langfristigen Friedens getan. 1958 wurde diese Gemeinschaft um EURATOM  und die Europäische Wirtschaftsgemeinschaft, mit dem Ziel der Schaffung eines gemeinsamen Marktes und des Abbaus von Zöllen, erweitert. 1967 wurden die Organe dieser Gemeinschaften zusammengelegt. Erinnert man sich an die frühere Kleinstaaterei besonders in Deutschland mit den vielen Zollbarrieren, so wird deutlich, dass die Wirtschaftsgemeinschaft eine Voraussetzung für die Entwicklung von Wohlstand für breite Gesellschaftsschichten ist, der am 8.Mai 1945 unvorstellbar war.
Der Beitritt zur Europäischen Gemeinschaft ist an die Erfüllung von Konvergenzkriterien wie z. B. institutionelle Stabilität für eine demokratische und rechtsstaatliche Ordnung, Wahrung der Menschenrechte sowie Achtung und Schutz der Minderheiten gebunden. Außerdem muss es in dem beitrittswilligen Land eine funktionsfähige Marktwirtschaft geben und die Fähigkeit, dem wirtschaftlichen Wettbewerbsdruck innerhalb der EU standhalten zu können.(Kopenhagener Kriterien).
Am 1.1.1973 traten Großbritannien, Dänemark und Irland  der EU bei, die damit aus 9 Mitgliedern bestand. Im Juni 1979 findet in diesen Mitgliedsländern die erste allgemeine und unmittelbare Direktwahl zum Europäischen Parlament statt, ein erster Schritt, der Europäischen Staatengemeinschaft eine direkte demokratische Legitimation zu verschaffen. Freilich haben die Stimmen bei der Wahl zum Europäischen Parlament nicht das gleiche Gewicht, um kleinere Mitgliedsländer nicht hoffnungslos zu marginalisieren.  Es gilt, das ein kleines Land  nicht weniger als 6 Abgeordnete ins europäische Parlament entsendet und ein großes nicht mehr al 96. Dies bedeutet, dass heute ein maltesischer Abgeordneter knapp 70 000 Wähler vertritt, ein deutscher aber 854 000. Am 1.1.1981 wird Griechenland 10. EG-Mitglied. Zum 1.1.1986 wurden Spanien und Portugal 11. und 12. Mitglied - zwei weitere Länder, die sich neben Griechenland von einem  diktatorischen Regime zur Demokratie entwickelt hatten. Nach dem Fall der Berliner Mauer tritt am 19.6.1990  die gesamtdeutsche Wirtschafts- und Währungsunion in Kraft - damit ist der erste Schritt vollzogen zur Integration der ehemaligen kommunistischen DDR in die Europäische Gemeinschaft.
Im Vertrag von Maastricht von 1991, der am 1.1.1993 in Kraft tritt, wird der einheitliche Binnenmarkt organisiert, gekennzeichnet durch den freien Verkehr von Waren, Dienstleistungen, Kapital und Personen. Dazu ist ein Fülle von Regulierungen und Standardisierungen erforderlich, die sowohl für Anbieter als auch für Konsumenten Vergleichbarkeit herstellen. Auf dieser Basis wird der innergemeinschaftliche Wettbewerb intensiviert, der tendenziell zur Verbilligung der Angebote führt. Außerdem geht es um Verbraucherschutz und die Sicherheit der EU Bürger. So gibt es beispielsweise 193 Fluggesellschaften aus 18 Staaten, die aus Sicherheitsgründen nicht in der EU landen und starten dürfen. Die Normierung der Euro-Palette erleichtert die Logistik in ganz Europa. Was weitere Standardisierung bewirken könnte, sieht man an der Inkompatibilität der e-book-reader. Daher geht die Kritik an der "Regelungswut" Brüssels ins Leere: Nur bei einer Vereinheitlichung von Regelungen ist grenzüberschreitend wirtschaftlicher Wettbewerb, Transparenz, Produktsicherheit  und Verbraucherschutz gewährleistet .
Die Attraktivität der Europäischen Union ist ungebrochen:  Zum 1.1.1995 treten Österreich, Finnland und Schweden der EU bei - sie besteht nun aus 15 Mitgliedern. 1995 tritt das Schengener Abkommen in Kraft: Belgien, Deutschland, Frankreich, Luxemburg, die Niederlande, Spanien und Portugal verpflichten sich darin, die Personenkontrollen an den Binnengrenzen abzuschaffen - Ende 2007 wird der Schengen Raum um Estland, Polen, die Tschechische Republik, Ungarn, Lettland, Malta, Litauen, die Slowakei und Slowenien erweitert.
Durch den Vertrag von Lissabon von 2009 wird die Grundrechtscharta der EU von 2000 rechtsverbindlich, d.h. die Gesamtheit der bürgerlichen, politischen, wirtschaftlichen und sozialen Rechte sind seit diesem Zeitpunkt einklagbare Grundrechte. Die Grundrechtscharta ist in die Kapitel Würde des Menschen, Freiheiten, Gleichheit, Solidarität, Bürger- und justizielle Rechte unterteilt.
Durch die Verträge von Maastricht und von Lissabon hat die EU einen Verfassungsrahmen, der sowohl die wirtschaftliche Ordnung  als auch die Grundrechte der Bürger umfasst.
Im Dezember 1995 beschließt der Europäische Rat der Staats- und Regierungschefs die Einführung des "Euro" als einheitliche Währung, die 2000 eingeführt wird. 11 der 15 EU-Länder erfüllen die Konvergenzkriterien - Preisstabilität, Haushaltsdisziplin und klare Kriterien für die Staatsverschuldung. 2001 treten Griechenland, 2007 Slowenien, 2008 Malta und Zypern, 2009 die Slowakei, 2011 Estland und 2014 Lettland dem Euro bei und am 1.1.2015 Litauen. Damit gehören 2015 19 Länder der Euro-Zone an. Damit ist die EU nicht nur ein Friedens- und Menschenrechtsprojekt und ein gemeinsamer Markt sondern auch ein einheitlicher Währungsraum mit der Europäischen Zentralbank als Hüterin der Preisstabilität, jedenfalls für die Mitglieder des Euro-Raumes. Die Einführung des Euro ist einerseits ein weiteres Beispiel der Vertiefung der europäischen Zusammenarbeit und andererseits ein Beispiel der zwei Geschwindigkeiten des Integrationsprozesses, wobei drauf hinzuweisen ist, dass die anderen Mitgliedsländer sich verpflichtet haben, zu gegebener Zeit auch den Euro einzuführen mit Ausnahme von Großbritannien und Dänemark. Bulgarien hat im Januar 2018 angekündigt, dem Euro beitreten zu wollen. Bulgarien und Rumänien waren am 1.1.2007 der EU beigetreten.
 Am 1. Mai 2005 wurden zehn europäische Staaten aus Mittel- und Osteuropa auf Grund ihres souveränen Antrags in die EU aufgenommen: Es sind die baltischen Staaten Estland, Lettland und Litauen, Polen, die Tschechische Republik, die Slowakei, Slowenien und Ungarn sowie Malta und Zypern - allerdings nur der griechische Teil der Insel. Die EU besteht damit aus 25 Mitgliedern. Diese Integration in die Europäische Gemeinschaft ist von besonderer Bedeutung, weil sie die Überwindung des Eisernen Vorhangs und damit die Überwindung der europäische Teilung nach dem zweiten Weltkrieg markiert. Nach  Bulgarien und Rumänien tritt am 1.Juli 2013 Kroatien als 28. Mitglied der EU bei. Damit sind zwei Länder des Balkans, Slowenien und Kroatien, in das europäische Friedensprojekt integriert worden auch im Sinne der schrittweisen Befriedung des Balkans.
Dieser Prozess der Vertiefung und Erweiterung der EU ist in historischer Perspektive beispiellos und eine Erfolgsgeschichte sondergleichen. Für Pulse of Europe muss das heißen: Hinter diesen Stand der europäischen Integration darf es kein Zurück geben!
3. Welches sind die aktuellen Herausforderungen?
- Brexit: 2016 hat Großbritannien in einer Volksabstimmung mit knapper Mehrheit entschieden, die EU zu verlassen. Die Befürworter des Brexit haben in der Kampagne vor dem Referendum völlig falsche Behauptungen über die britische Zukunft nach dem Austritt  aufgestellt. Bei den laufenden Verhandlungen mit der EU über die Austrittsmodalitäten stellt sich immer klarer heraus, dass der Austritt schmerzhaft wird, besonders für Großbritannien. Einen Austritt mit voller Mitgliedschaft im Binnenmarkt aber ohne die Verpflichtungen zur Freizügigkeit wird es nicht geben. Inzwischen ist eine Mehrheit der britischen Bevölkerung gegen den Brexit. Die EU hat am 16.1.2018 Großbritannien angeboten, jetzt in die EU zurückzukehren.  Für Pulse of Europe stellt sich die Frage, ob auch wir uns für den Verbleib Großbritanniens in der EU einsetzen sollen, dann allerdings nicht mehr zu den vielen bisherigen Sonderregelungen, sondern zu den gleichen Bedingungen wie für alle anderen Mitgliedsländer: "Let`s stay together!"  Wir haben bei den Wahlen in den Niederlanden die demokratischen Parteien gegen die Rechtsradikalen unterstützt und bei den Präsidentschaftswahlen in Frankreich uns mit der Parole "Restons  ensemble" gegen Le Pen ausgesprochen.
- Verletzungen des Rechtsstaates in Polen und in Ungarn: Die EU-Kommission hat gegen Polen ein Vertragsverletzungsverfahren wegen der Abschaffung einer unabhängigen Justiz durch die gegenwärtige Regierung eingeleitet. Ein solches Verfahren kann, sollte die polnische Regierung nicht einlenken, zum Entzug des Stimmrechts in den EU Gremien führen. Da aber Ungarn bereits angekündigt hat, gegen einen solchen potentiellen Entzug zu stimmen, ist dieses Verfahren wegen der bisher erforderlichen Einstimmigkeit ein stumpfes Schwert mit allenfalls medialer Öffentlichkeit. Aus deutscher Sicht ist die Aussöhnung mit Polen von besonderer Bedeutung. Gleichzeitig müssen aber Rechtsstaatlichkeit und Demokratie auch in Polen gewahrt werden. Für Pulse of Europe stellt sich also die Frage, wie verhalten wir uns zu den Besorgnis erregenden Entwicklungen besonders in Polen. Wir sollten versuchen, uns mit Pulse of Europe in Polen zu solidarisieren, gleichzeitig aber den Eindruck  vermeiden, als mischten wir uns in innerpolnische Angelegenheiten ein. Die Unabhängigkeit der Justiz hat auch auf Grund der für alle Mitgliedsländer geltenden Verträge universell in Europa zu gelten. Ihre prinzipielle Ausgestaltung kann nicht der jeweiligen Regierung überlassen werden, mag sie auch demokratisch legitimiert sein. Neben andauernder diplomatischer Überzeugungsarbeit gegenüber Polen müssen auch Druckmittel wie die Einschränkung von Zahlungen aus Brüssel thematisiert werden.
- Rechtsradikale Bewegungen gegen Europa: Front National in Frankreich, Wilders in den Niederlanden, AFD in Deutschland, FPÖ in Österreich, Lega Nord in Italien, sie alle sind rechtsradikal, fremdenfeindlich, nationalistisch und zum Teil separatistisch. So propagierte Marine le Pen von dem Front National in Frankreich während des Präsidentschaftswahlkampfes den Austritt Frankreichs aus der EU. Diese Bewegungen haben in letzter Zeit an Gewicht gewonnen: die FPÖ ist inzwischen in der österreichischen Regierung vertreten, die AFD ist 2017 erstmalig in den Deutschen Bundestag als drittstärkste Partei eingezogen und zwar mit mehr als 90 Abgeordneten.
- Asyl- und Flüchtlingspolitik: Die Flüchtlingspolitik spaltet Europa, insbesondere, weil die gemeinsam beschlossene Verteilung von Kriegsflüchtlingen insbesondere aus Syrien wegen des Widerstandes aus Polen, Ungarn und weiterer osteuropäischer Mitgliedsländer nicht vollzogen wird. Grundsätzlich ist festzuhalten, dass das Recht auf Asyl in Europa eingedenk der historischen Erfahrungen keineswegs eingeschränkt werden darf. Davon zu trennen ist die Aufnahme von Kriegsflüchtlingen nach der Genfer Konvention, die als eine temporäre Maßnahme gesehen werden muss bis der Fluchtgrund entfällt. Freilich werden auch dann viele in Europa bleiben wollen. Wenn diese Flüchtlinge nicht einigermaßen gleichmäßig in der EU verteilt werden können, ist über Kompensationsmaßnahmen im Sinne von Ausgleichszahlungen von den sich verweigernden Staaten nachzudenken. Es kann jedenfalls nicht sein, dass Griechenland und Italien als die Hauptankunftsländer für Kriegsflüchtlinge eine überproportionale Last tragen. Die Brisanz dieser Probleme ist enorm hoch, sind sie doch geeignet, eine Gefahr für die Demokratie vor Ort herauf zu beschwören und eine Spaltung in die EU hineinzutragen.
- Separatistische Tendenzen - nicht nur in Katalonien und in Schottland: In jüngster Zeit haben separatistische Tendenzen besonders in Katalonien zugenommen - die schottischen Bemühungen um Selbständigkeit sind eng mit dem Brexit verknüpft. In diesem Zusammenhang geht es um die Frage, wie weit regionale Autonomie gehen kann ohne einen Bruch mit dem "überwölbenden" Nationalstaat. Oder aber ist die EU als ein Europa der Regionen neu zu denken und zu organisieren bei weiterer Zurückdrängung der Nationalstaaten?
4. Was ist zu tun?
- Stärkung einer europäischen Öffentlichkeit: Um die aufgezeigten drängenden Probleme umfassend diskutieren zu können, und zwar nicht nur auf der institutionellen europäischen Ebene, ist eine stärkere europäische Öffentlichkeit herzustellen. Was wissen wir darüber, wie z.B. die Schweden oder die Italiener über die Flüchtlingsprobleme denken, was wissen die Iren und die Rumänen, welche Probleme Deutschland mit der Integration von Asylbewerbern haben? Wie weit ist inzwischen der Rechtsstaat in Bulgarien verankert und ist der polnischen Bevölkerung bewusst, in welchem Ausmaß Polen bisher von der Mitgliedschaft in der EU profitiert hat? Die Liste der Fragen lässt sich beliebig fortsetzen. Zu fordern ist daher, dass die Tageszeitungen verstärkt, und das heißt regelmäßig zu bestimmten Fragen europaweit vergleichend, berichten. Auch sollten die öffentlich-rechtlichen Sender Europas verstärkt zusammenarbeiten und ebenfalls vergleichend politisch, wirtschaftlich, gesellschaftlich und kulturell informieren . Die Medien haben diesbezüglich einen Bildungsauftrag und einen Auftrag, im Sinne des europäischen Zusammenhalt zu wirken.
- Unbedingtes Eintreten für die Durchsetzung des Rechtsstaates in allen Mitgliedsländern: Zum Rechtsstaat gehört die Unabhängigkeit der Justiz mit der Möglichkeit, dass höhere Gerichte Entscheidungen niederer Instanzen überprüfen. Der Rechtsstaat findet seine Vollendung, wenn ein unabhängiges Verfassungsgericht Entscheidungen von Gerichten und Verwaltungen, ja sogar Gesetze auf ihre Verfassungsmäßigkeit überprüfen kann. Zum Rechtsstaat gehört aber auch eine Polizei, die demokratisch geschult ist und nach Recht und Gesetz handelt und geführt wird. Der umfassende Rechtsstaat als Teil der Gewaltenteilung gibt den Bürgern Sicherheit nach innen, er schützt sie vor Willkür. Freilich sind rechtsstaatliche Verfahren keine Selbstverständlichkeit, sie müssen immer wieder von einer unabhängigen Presse überprüft und von der Zivilgesellschaft eingefordert werden.
- Stärkung des europäischen Parlaments: Das europäische Parlament sollte weiter gestärkt werden. Zu einem voll funktionsfähigen Parlament gehört das Budgetrecht, also die Verfügung über eigene Einnahmen und Ausgaben.  Zu einem vollwertigen Parlament gehört auch, die Regierung, hier also die Kommission, als Ganzes oder einzelne Kommissionsmitglieder durch ein Misstrauensvotum abzulösen. Kritisch wird auf das Problem der Repräsentation der europäischen Bürgerschaft - nicht jeder EU Bürger hat bei Europaparlamentswahlen das gleiche Stimmengewicht - hingewiesen. Dagegen ließe sich einwenden, dass auf Grund der unterschiedlichen Größe der EU Mitgliedsländer eine unterschiedliche Gewichtung der einzelnen Wahlstimmen gerechtfertigt ist im Sinne eines "Minderheitenschutzes" für kleinere Länder  bzw. aus innereuropäischer Solidarität. Insofern spricht nichts dagegen, das europäische Parlament in seiner gegenwärtigen Verfassung zu stärken und es als durch Wahlen legitimiert anzusehen. In diesem Zusammenhang kann auf den Senat in den USA verwiesen werden. Jeder Bundesstaat wählt unabhängig von seiner Größe zwei Senatoren, damit alle Bundesstaaten gleich repräsentiert sind. Dies bedeutet, dass bei den Senatswahlen die einzelnen Bürger der kleinen Bundesstaaten ein größeres Gewicht haben als die z. B. in Kalifornien oder im Staate New York. Gleiches gilt für den deutschen Bundesrat. In ihm sind 69 Stimmen vertreten. Davon je 6 für Baden-Württemberg und Bayern als die größten Bundesländer und je 3 für das Saarland und Bremen als kleine Länder. Das abgestufte Stimmengewicht ist ein Kompromiss zwischen der föderativen Forderung nach Gleichbehandlung der Länder trotz unterschiedlicher Größe und dem demokratischen Ideal einer exakten Repräsentation der jeweiligen Einwohnerzahl. Diese Lösung soll auch gewährleisten, dass die großen Länder die übrigen nicht übertrumpfen, aber auch die kleinen Länder die übrigen nicht majorisieren können. Bundestag und Bundesrat müssen bei den meisten Gesetzen zusammenwirken, sodass im Gesetzgebungsverfahren verschiedene Prinzipien der Repräsentation der Bürger zur Anwendung kommen. Das Europäische Parlament bedarf auch des Zusammenwirkens mit dem Ministerrat bzw. dem Rat der Staats- und Regierungschefs, die jeweils nur vermittelt demokratisch legitimiert sind, z. B. weil es sich um Koalitionsregierungen handelt bzw. "ihre" Parlamente sie im konkreten Fall nicht direkt bevollmächtigt haben. Im übrigen: Die Stärkung des Europäischen Parlaments muss nicht notwendig mit einer Schwächung der nationalen Parlamente einhergehen. Wird das Subsidiaritätsprinzip beachtet, so wird in Europa nur das geregelt, was über Ländergrenzen hinaus wie z. B. die europäische Außen- und Verteidigungspolitik, die Bankenaufsicht  oder der Verbraucherschutz koordiniert werden muss. Auf der Ebene der Nationalstaaten verbleibt innerhalb der europäischen Rahmens die Regelung der jeweils "inneren" Angelegenheiten.
- Vertiefung der französisch-deutschen Zusammenarbeit: Frankreich und Deutschland waren in der Vergangenheit der Motor für die Vertiefung der europäischen Zusammenarbeit. Dies muss auch in der Zukunft so bleiben. Nun hat der französische Präsident ehrgeizige Vorschläge zur Weiterentwicklung der Union vorgelegt. Leider ist auf Grund der schleppenden Regierungsbildung in Deutschland nach der Bundestagswahl im September 2017 bisher keine offizielle deutsche Antwort auf diese Vorschläge erfolgt. Es bleibt zu wünschen, dass eine baldige neue Regierung in Deutschland positiv auf Macrons Vorschläge eingeht, damit vor den Wahlen zum europäischen Parlament 2019 Schritte zur Behebung von Defiziten in der EU und zur Vertiefung der Union eingeleitet werden können. Der Chanoine Kir war bis zu seinem Tode 1968 Bürgermeister von Dijon. Er organisierte Städtepartnerschaften mit York in Großbritannien und mit Dallas USA 1957, mit Mainz 1958, 1959 mit Stalingrad in der Sowjet-Union, heute Wolgograd und Reggio d `Emillia In Italien 1963. Für ihn war dies "jumelage" die Basis der Völkerverständigung "von unten". Gleichzeitig war er von 1945 bis 1967 Mitglied der Nationalversammlung und zweimal ihr Alterspräsident. 1960 kam der Generalsekretär der KPDSU Krustchew zu Besuch nach Dijon. Der Bischoff verbot dem Chanoine Kir ein Treffen wegen der Christenverfolgung in der Sowjetunion. Kir verließ gehorsamst für einen Tag Dijon, doch er traf sich später mit Krustchew in der Botschaft in Paris und reiste auch nach Moskau, um Möglichkeiten der Völkerverständigung auf eigene Faust auszuloten.  Er hatte seinen eigenen Kopf. Dabei mochte er die Kommunisten keinesfalls. Als ihn einmal ein französischer Funktionär vor hielt, dass er doch nicht an Gott glauben könne, weil er ihn ja nicht gesehen habe, antwortete der Mann in seiner bodenlangen weiten Soutane: "Sie haben meinen Hintern auch noch nicht gesehen, aber ich kann ihnen versichern, es gibt ihn!" Der Chanoine Kir starb 1968 in Dijon, nachdem er für die Bewohner seiner Stadt neue Wohnquartieren und einen künstlichen See, der nach ihm benannt wurde als Naherholungsgebiet geschaffen hatte.
- Stärkung einer gemeinsamen Außen- und Verteidigungspolitik: In diesem Bereich sind seit kurzem einige wichtige Schritte eingeleitet worden. Dies ist angesichts der politischen Entwicklungen in den USA von besonderer Bedeutung. Die EU muss ihre Rolle in der Weltpolitik selbstbewusst definieren, immer allerdings auf der Basis ihrer Grundwerte.
- Wiederherstellung des Europas ohne Grenzen: Im Zusammenhang mit den Flüchtlingsströmen 1915/16 wurde das Schengen-Abkommen über die Freizügigkeit ohne Passkontrollen eingeschränkt. Es sollte jetzt, wo der Zustrom von Flüchtlingen nach Europa zurückgegangen ist, wieder voll in Kraft gesetzt werden. Das Reisen ohne Kontrollen in der EU ist eine unmittelbare Erfahrung dazu, was Europa für jeden einzelnen Bürger bedeutet.
- Fortschritte in einem Europa der zwei Geschwindigkeiten : Schengen-Abkommen und Euroeinführung als Beispiele. Da in der EU mit den genannten Beispielen die Idee eines Kerneuropas bereits verwirklicht ist - es steht jedem weiteren Mitgliedsstaat frei, den Regelungen der Vertiefung der anderen Staaten beizutreten - kann diese Entwicklung nicht als Diskriminierung der "Außenstehenden" gewertet werden. Im Gegenteil: das Kerneuropa hat bisher immer eine besondere Anziehungskraft ausgeübt. So wird gemeldet, dass Bulgarien den Beitritt zur Eurozone anstrebt. Eine weitere Vertiefung, bei der anfänglich nicht alle Mitgliedsstaaten mitmachen müssen, wäre die Verpflichtung auf eine gemeinsame Sozialpolitik, z. B. mit gemeinsamen Standards der Arbeitslosen- und Rentenversicherung. Dies kann im ersten Schritt jedoch nicht bedeuten, dass sie in jedem Land gleich hoch sein müssen sondern beispielsweise an die Entwicklung der Kaufkraft angepasst werden. Ein weiterer Schritt könnte die Harmonisierung der Unternehmenssteuern sein.
- Reform des Euroraumes: Der Euro, das hat die Finanzkrise und die große Staatsverschuldung in einigen Ländern besonders Südeuropas gezeigt, ist noch nicht stabil. Deshalb wird mit Recht, z. B. von Frankreich ein  gemeinsamer Finanzminister für den Euroraum gefordert, der die Wirtschafts- und Fiskalpolitik der Mitgliedsländer besser koordinieren kann. Er könnte z. B. ein Veto einlegen, wenn ein Staat bei der Haushaltsaufstellung die Verschuldungsregeln nicht einhält. Ein Euro-Finanzminister mit derartigen Kompetenzen bedarf der parlamentarischen Kontrolle. In der Diskussion ist diesbezüglich ein eigenes Parlament für die Euro-Zone. In der Diskussion ist auch die Schaffung eines europäischen Währungsfonds, der in Krisenzeiten nach strengen Regeln Notkredite vergeben kann. Generell ergibt sich hier ein Spannungsverhältnis: einerseits soll eine Transferunion vermieden werden (auch wenn wir sie im Bereich der Landwirtschaft bereits haben) und dem Gebot, aus Solidarität für eine Angleichung der Lebensverhältnisse in der EU zu sorgen.
- Vorantreiben der europäischen Bankenaufsicht: Es darf keine Staatsrettungen mehr für insolvente Banken geben, wie wir sie erlebt haben in der Finanzkrise seit 2007/8. Denn dann zahlt der europäische Bürger mit seinen Steuern und der Absenkung der Sparzinsen für die unverantwortliche Spekulation besonders der Investmentbanker weltweit. Auf Grund dieser Erfahrungen muss die europäische Bankenaufsicht so organisiert werden, dass im Fall einer Pleite einer Bank zunächst die Aktionäre haften und die Einlagen der normalen Bürger außen vor sind. Außerdem müssen die Eigenkapitalanforderungen für Großbanken wesentlich erhöht werden, um Krisen vorzubeugen. Dazu gehört auch, dass der Kauf von Staatsanleihen mit Eigenkapital unterlegt werden muss, was momentan nicht der Fall ist.
- Verstärkung des Kampfes gegen Korruption: 2014 ist der erste Korruptionsbericht der EU Kommission vorgelegt worden. Laut diesem  kostet die Korruption, die weitgehend mit Bestechung gleichgesetzt wird, die EU jährlich rund 120 Milliarden Euro. Zum Vergleich: der EU Haushalt beläuft sich 2017 auf 134,5 Milliarden Euro. Ließe sich die Korruption um die Hälfte zurückdrängen, würde in zwei Jahren fast der gesamte EU Haushalt erwirtschaftet. In dem Bericht heißt es:"Korruption untergräbt das Vertrauen der Bürger in demokratische Institutionen und die Rechtsstaatlichkeit, sie schädigt die europäische Wirtschaft und entzieht Staaten dringend benötigte Steuereinnahmen". Die Glaubwürdigkeit der EU- Institutionen würde also wesentlich gesteigert, wenn - auch auf Druck durch die europäische Zivilgesellschaft - Korruption in der EU, z. B. durch verstärkte Steuerfahndung, durch die weitere Schließung von Steuerschlupflöchern und die vermehrte Strafverfolgung von Wirtschaftskriminalität - entschlossener bekämpft  würde. Darauf hoffen z. B. die Bevölkerungen osteuropäischer Länder besonders.
- mehr europäische Solidarität gegen (Jugend)Arbeitslosigkeit und in der Sozialpolitik: Zur Wahrung des Zusammenhalts in der EU kann es nicht weiter hinnehmbar sein, dass in manchen Ländern die Jugendarbeitslosigkeit zwischen 25 und 50 Prozent liegt. Die betroffenen Länder sind durch europäische Infrastrukturprojekte so zu unterstützen, dass sie dann von sich aus wieder auf einen Pfad des Wirtschaftswachstums zurückkehren. Bei derartigen Projekten z. B. zu erneuerbaren Energieträgern ist allerdings eine strenge europäische Kontrolle zur Korruptionsvermeidung zu installieren.
- Stärkung der Innovationskraft in Europa angesichts weltweiter Konkurrenz: Die europäische Wirtschaftsgemeinschaft ist gefordert, in der Konkurrenz auf dem Weltmarkt mit Nordamerika und China mitzuhalten. Technische Kreativität zur Erfindung von den Bürgern nützlichen Anwendungen muss gefördert werden. Leonardo da Vinci ist ein Leuchtturm  europäischer  Forschung. Nur dann, wenn die Leistungsfähigkeit europäischer Unternehmen besonders im Hochtechnologiebereich gewahrt bleibt, werden die Arbeitsplätze in der Industrie und im Dienstleistungsbereich erhalten bzw. ausgebaut,  werden die notwendigen Staatseinnahmen gesichert und im Weltmaßstab vorbildliche Sozialleistungen weiterhin ermöglicht. Nur das, was vorher erwirtschaftet wurde, kann später verteilt werden.
- Herstellung einer besseren Vernetzung europäischer Ausbildungs- und Bildungsstrategien: Die Qualifizierung von Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmern ist angesichts der Digitalisierung praktisch aller Lebensbereiche mit höchster Priorität voranzutreiben: Einerseits werden durch weitere Automatisierung bisherige Arbeitsplätze wegfallen - es bedarf daher umfassender Umschulungsprogramme. Andererseits werden verstärkt Programmierer gesucht, die entsprechend den Anforderungen der Digitalisierung ausgebildet werden müssen. Diese Prozesse kommen nicht von heute auf morgen über uns, aber sie kommen. Es gilt daher, sich rechtzeitig auf einen fundamentalen Wandel in der Industrie, im Dienstleistungssektor, in der öffentlichen Verwaltung, im Verkehr, im Energiesektor, in der Landwirtschaft und im privaten Haushalt einzustellen.
- Bewahrung der  kulturellen Vielfalt Europas über die EU hinaus und Werbung für ein gegenseitiges Verständnis: Die Identität der Bürger Europas ist durch unterschiedliche geschichtliche Erfahrungen und vielfältige kulturelle Prägungen gekennzeichnet. Es gilt auch die unterschiedlichen Sprachen zu erhalten und gleichzeitig sich mit einer Sprache zu verständigen. Die Ironie der Entwicklung ist, dass Großbritannien aus der EU austreten will, dass aber das Englische wohl am ehesten die "lingua franca" bleiben wird.
- In Summe: die Notwendigkeiten eines inzwischen global wettbewerbsfähigen, gemeinsamen Marktes müssen versöhnt werden  mit europäischer Solidarität und kultureller Vielfalt: die Organisation Europas ist kompliziert und nicht von jedermann zu durchschauen. Um so wichtiger ist es, die einzigartigen Grundlinien immer wieder zu verdeutlichen. Sie ergeben sich aus der Basis eines gemeinsamen Marktes für über 500 Millionen Bürger mit strenger wirtschaftlicher Wettbewerbsorientierung und einer Förderung von Innovationen. Gleichzeitig wird auf dieser Basis der Wirtschaftskraft die Erhaltung der großen kulturellen Vielfalt Jahrtausende alter Geschichte möglich. Dies alles muss fundiert sein und bleiben durch eine Wertegemeinschaft, die es jedem Bürger erlaubt, sich wirtschaftlich und kulturell überall in der EU zu entfalten, überall hin zu reisen und sich sicher zu fühlen.
5. Welche Rolle kann Pulse of Europe spielen?
Pulse of Europe will keine politische Partei sein.
Pulse of Europe als Bürgerbewegung tritt zuvörderst dafür ein, dass das Friedensprojekt der Europäischen Union in all seinen Dimensionen erhalten bleibt. Hierzu tragen Erinnerungsorte wie Ausschwitz, Buchenwald und Dachau, Verdun und Hartmannweilerkopf,  und Guernica bei. Erinnerungsorte sind die Belagerung von La Valetta oder von Wien durch die Sarazenen und der D-day, die erfolgreiche Landung der Alliierten in der Normandie zur Befreiung Europas vom Faschismus.  Erinnerungsorte sind aber auch die Kathedrale von Reims mit De Gaulle und Adenauer zur Versöhnung Hand in Hand, der Kniefall von Willy Brandt in Warschau oder der Fall der Berliner Mauer 1989. Mein persönlicher Leuchtturm in Bezug auf Erinnerungsorte ist der Chanoine Kir, der auf Grund dessen, was ihm angetan wurde, allen Grund zu Hass und Vergeltung hatte. Und was tut er? Er kämpft unbeirrt für Völkerverständigung über alle Grenzen hinweg. (Vgl. Etienne Francois und Thomas Serrier: Europe - Notre Histoire. L`Héritage Européenne depuis Homère, Paris, 1385 Seiten, 39 Euro).
Dort wo Defizite im bisherigen Einigungsprozess sichtbar sind, appelliert Pulse of Europe an die Politik, diese Defizite abzubauen und auch den Einigungsprozess voranzutreiben.  Pulse of Europe setzt auf zivilgesellschaftliches Engagement zur kritischen Begleitung der Europapolitik im jeweiligen Land. Das "Europa von unten" macht Druck auf politische Parteien, die EU-Kommission und das Europäische Parlament, sich klar von nationalistischen, rassistischen und rechtsradikalen Parteien und Bewegungen abzugrenzen und sich darüber hinaus offen zur notwendigen Fortentwicklung der europäischen Integration zu bekennen.
 - Fundamentale Grundsätze für ein friedliches Europa verdeutlichen: universelle Geltung der Menschenrechte, des Minderheitenschutzes und des Rechtsstaates, Einhaltung demokratischer Grundsätze in der Politik, Kampf gegen Korruption, all diese Grundsätze müssen die Basis unserer gemeinsamen Arbeit bleiben.
 Europa ist weit über den gemeinsamen Markt hinaus als Wertegemeinschaft konstituiert. Versammlung-, Meinungs-, Niederlassungs-, Religions- und Reisefreiheit sind für die jüngere Generation der Europäer Selbstverständlichkeiten, einfach weil sie es bisher nicht anders gekannt hat. Es muss aber immer wieder verdeutlicht werden, dass diese Freiheiten in einem langen historischen Prozess erkämpft wurden und immer wieder gefährdet sind bzw. werden.  
Deshalb ist eine emotionale Bindung an Europa aufrecht zu erhalten bzw. zu intensivieren. Nur auf dieser Basis ist ein aktives Engagement für die Vertiefung der europäischen Gemeinschaft und für eine umfassende Verständigung zwischen allen Bürgern Europas zu wecken und aufrecht zu erhalten.
- Die offene Diskussionskultur erhalten - Pluralität ist unsere Stärke: Die Möglichkeit für jedermann, auf den Foren von Pulse of Europe das Wort zu ergreifen, sich Gehör zu verschaffen und ernst genommen zu werden, ist urdemokratisch. Diese Teilhabe stärkt die Bindung untereinander. So wie es der Kommissionspräsiden Jean-Claude Juncker in seinem Grußwort zu unserer Veranstaltung am "Europäischen Eck" formulierte: "Seit es Pulse of Europe gibt fühlt man sich weniger allein in dieser hochkomplizierten Europäischen Union".
- Verstärkung unserer Basis u. a. durch weitere, phantasievolle Aktionen, die die emotionale Bindung an Europa ansprechen: Pulse of Europe ist nicht nur eine intellektuelle Herausforderung sondern auch eine Herzensangelegenheit. Dies kommt besonders im gemeinsamen Singen der Europahymne zum Ausdruck. Dies kam  durch die europäische Fahne auf dem Deutschen Eck, die alle Fahnen der Mitgliedsstaaten vereinte, zum Ausdruck. Wir sollten daher weitere "Events" veranstalten, die einerseits unseren Zusammenhalt stärken und andererseits über die mediale Wirkung neue Bürger mobilisieren, sich auf uns und Europa einzulassen. Es gilt, der Europäischen Idee bei den Bürgern ein stabileres Fundament zu geben, eine personale Identität für jeden einzelnen Menschen in Europa und den Zusammenhalt in turbulenten Zeiten.
- Vernetzung über regionale und Ländergrenzen hinweg vorantreiben: Im Sinne unseres europaweiten Anspruchs sollten wir diskutieren, wie es gelingen kann - z. B. mit Hilfe der jeweiligen Städtepartnerschaften wie es der Chanoine Kir vorgelebt hat - Pulse of Europe Mitglieder und Veranstaltungen in anderen Ländern kennen zu lernen und sich mit ihnen auszutauschen.
                                                                                                                          
P. S. Am 16. 10. 2017 wurde die maltesische Journalistin Daphne Caruana Galizia in Malta ermordet und zwar durch eine ferngezündete Bombe unter ihrem Auto. Die Art der Durchführung des Mordes deutet auf mafiöse Strukturen hinter der Tat hin.  Galizia hatte u.a. einen Skandal um die Panama-Papers, also die Auflistung von Reichen, die ihre Gelder vor der Steuer im Steuerparadies Panama versteckten, aufgedeckt. In diesen Skandal war nach ihren Recherchen auch die maltesische Regierung verstrickt. Mehreren Mitarbeitern von Regierungschef Muscat warf Galizia vor, Geldwäsche und Steuerhinterziehung zu betreiben. Am 4.12.17 kam es zu 8 Festnahmen, im Februar 2018 begann der Prozess gegen 2 der Verdächtigen in La Valetta.  An den Ermittlungen waren das US amerikanische FBI, Europol und finnische Sicherheitsbehörden beteiligt.
Am 25. 2. 2018 wurden der junge Enthüllungsjournalist Jan Kuciak und seine Verlobte Martina Kusnirowa in der Slowakei ermordet. Kuciak arbeitete an einer Recherche zu Korruptionsaffären: Mutmaßliche Mafia-Mitglieder, von denen einige in der Slowakei bereits vorbestraft sind, sollen bis vor Kurzem direkten Zugang zum innersten Machtzirkel des Landes gehabt haben, und zwar über zwei der wichtigsten Berater des Regierungschefs Robert Fico. Nach diesem erneuten Mord an einem Journalisten, der weit über die Slowakei Aufsehen erregte, trat der Innenminister zurück - offenbar ein Bauernopfer.
Da beide ermordeten Journalisten über mafiöse Strukturen in ihren jeweiligen Ländern berichteten, die offenbar bis in höchste Regierungskreise reichen, muß der Schutz von Journalisten und der Kampf gegen Korruption in der EU höchste Priorität gewinnen. Journalisten müssen so geschützt werden, dass sie angstfrei über Skandale in der jeweiligen Regierung recherchieren und publizieren können. Gleichzeitig sollten wir uns von Pulse of Europe darauf verständigen, dass die innere Sicherheit, die Bekämpfung von Korruption  und die Transparenz demokratischer Prozesse ganz oben auf unserem Forderungskatalog an die Politik für die EU stehen. Ohne umfassende innere  Sicherheit und ohne eine freie, tatkräftige Presse wird es keine Fortschritte auf dem Weg zu weiterer europäischer Integration geben. Wenn sich wie in der Slowakei herausstellt, das das Land alleine nicht in der Lage ist, mit seinen Problemen fertig zu werden, dann sind die EU-Institutionen gefordert, helfend einzugreifen. So könnte z. B. Interpol, die europäische Kriminalpolizei, gestärkt werden. So muss es offenbar europäische Standards geben zur Ausbildung der jeweiligen Polizei und effektivere Methoden zur Bekämpfung der Mafia in all ihren Ausprägungen. Diese Forderung an die Politik müsste über Parteigrenzen hinweg getragen werden können und damit vor strittigen Ausgabeposten des EU-Haushalts prioritär behandelt und finanziert werden können. Das Gefühl der Sicherheit ist elementar für alle Bürger. Wenn sie die Erfahrungen machen, dass diesbezüglich auch Hilfe von der EU kommt, dann stärkt dies auch die emotionale Bindung an die EU.
                                                                                                                Koblenz, den 13.3.2018
       

Wer sich vertieft mit diesen Fragen und Antworten auseinander setzen möchte, der sei auf die Publikation des Autors: "Krisenspirale oder Neustart? Aktuelle sozio-ökonomische Analysen und wirtschaftspolitische Perspektiven für Europa" verwiesen, 2015 bei Amazon als Paperback - 21,39 Euro - oder als e-book - 9,99 Euro - erschienen.